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Über viele Jahrhunderte wurde der Kalkstein an der Lahn als Stein zur Errichtung von Gebäuden – wie dem Limburger Dom (12./13. Jahrhundert) und auch der Lubentiuskirche in Dietkirchen (11./12. Jahrhundert) - oder zum Kalkbrennen genutzt. Der im 16. Jahrhundert zunehmende Bedarf, insbesondere der katholischen Kirche, nach repräsentativen Altären aus Marmor wurde im Wesentlichen mit Marmor aus Italien gedeckt. Die Beschaffung war allerdings zeit- und kostenaufwändig und so wurde nach heimischen Materialien gesucht. Und man wurde fündig: Der Abbau des Lahnkalksteins als Marmor wird erstmals 1594 erwähnt, als ein Gerlach von Korschenbruch aus Köln Abbaurechte für Marmor erhielt. Verschiedenen Urkunden ist zu entnehmen, dass Ende des 16. Jahrhunderts der Abbau von Marmor an der Lahn beginnt.

Nach dem Westfälischen Frieden widmete sich Europa dem Wiederaufbau seiner zerstörten Städte, Kirchen, Burgen und Schlösser. Der ein gutes halbes Jahrhundert zuvor entdeckte Lahnmarmor erfreute sich hierbei großer Beliebtheit. In der Lahnregion zwischen Oberbiel und Allendorf wurden durch Steinbrecher viele Marmorbrüche erschlossen und es entstanden zahlreiche Steinmetzbetriebe und Werkstätten. Zur Verbreitung und Wertschätzung trugen auch die Baumeister der Fürsten bei. Beispielsweise sind Julius Ludwig Rothweil (1676 – 1750) und Balthasar Neumann (1687-1753)zu nennen, die den Lahnmarmor sehr schätzten.

Infolge der französischen Revolution und der sich anschließenden Besetzung großer Teile Europas durch französische Truppen brach für die Lahnmarmorwirtschaft ein großer Absatzmarkt weg. Einen erneuten Aufschwung erfuhr der schöne Kalkstein von der Lahn mit der Gründung des Herzogtums Nassau im Jahre 1806. Dieser setzte sich nach der Anektierung Nassaus durch Preussen fort.

Mit der Industrialisierung verbesserten sich auch die Transportmöglichkeiten für den Lahnmarmor. Die nassauische Lahntalbahn von Koblenz nach Wetzlar wurde 1863 eröffnet. 1886 wurde diese Bahnstrecke um den ersten Streckenabschnitt der Kerkerbachbahn ergänzt, mit der die Rohstoffe des Westerwaldes verkehrstechnisch erschlossen wurden. 1908 wurde die Strecke bis Mengerskirchen im Westerwald ausgebaut. Über das Bahnnetz wurde die Lahnregion an das europäische Verkehrsnetz angebunden und damit auch an die großen Hafenstädte. Das Tor zur Welt war geöffnet.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann in der Lahnmarmorwirtschaft die Gründung von größeren Betrieben. So entstand 1879 in Wetzlar die Firma „Dyckerhoff & Neumann“. Öffentliche, private und kirchliche Bauherren setzten den Lahnmarmor gerne ein. In diesem Zusammenhang nahmen auch andere Betriebe an Bedeutung zu, insbesondere im internationalen Geschäft. So lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ aus ihrem von der Gemeinde Gaudernbach angepachteten Marmorbruch um 1913 die Varietät „Estrellante“ nach Zürich zum Bau des Hauptgebäudes der Universität. 1929/30 lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ Lahnmarmor der Varietäten „Estrellante“ und „Famosa Rose“ zur Ausstattung des Empire State Buildings nach New York. In den 30er Jahren waren die öffentliche Hände im Deutschen Reich große Abnehmer von Lahnmarmor. Viel Pracht- und Prunkbauten der Nazis wurden mit diesem Material ausgestattet.

Nach dem zweiten Weltkrieg galt es Kriegsschäden auszubessern. Darüber hinaus wurden infolge der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten Europas viele neue Kirchenbauten geschaffen. Häufig wurde hierbei der Marmor von der Lahn verwendet. Nachlassende Nachfrage aus diesem Bausegment ab den 70er Jahren, ein veränderter Geschmack und billigere Konkurrenzprodukte auf dem Weltmarkt ließen die Nachfrage nach Lahnmarmor sinken. Nach und nach wurde der Abbau eingestellt. Die letzte größere Bergung von Lahnmarmor erfolgte 1989 aus dem Villmarer Bongardbruch. Damit endet eine 400 jährige Abbaugeschichte. Über 100 Marmorbrüche sind in dieser Zeit betrieben worden.